Haushaltsrede der FDP-Kreistagsfraktion, 19.12.2022

Sehr geehrte Frau Landrätin,
meine Damen und Herren der Verwaltung,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen,
werte Medienvertreter, interessierte Öffentlichkeit.
Das Motto der FDP für den Haushalt 2023 lautet:
„Optimistisch die Herausforderungen gemeinsam meistern!“
 

Allgemein:
Noch nie haben sich weltweite Geschehnisse so unmittelbar auf die
Kommunen ausgewirkt wie derzeit. Auf unserer kommunalen
Richterskala spüren wir die Erschütterungen, die Kriege, Flucht,
Vertreibung, Katastrophen, Energieknappheit, Inflation und Folgen der
Pandemiebewältigung auslösen. Wir spüren: Die Welt ist im Umbruch,
und sie wird instabil. Nichts ist mehr selbstverständlich, denn Frieden,
Wohlstand und Demokratie sind gefährdet. In der Wirtschaft beobachten
wir große Zukunftsängste. Vor diesem Hintergrund kommt den
Kommunen eine wichtige Bedeutung zu, denn sie müssen dafür sorgen,
dass der Laden trotzdem noch läuft und alles funktioniert. Allerdings
geraten sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit.
Die Kommunen sind kaum noch in der Lage, ihre Aufgaben zu
bewältigen, die nicht weniger sondern mehr werden. Wir befinden uns im
Spagat zwischen Krisenmanagement und finanzieller Leistungsfähigkeit.
Der Begriff „Zeitenwende“ ist durchaus angebracht.

 

Haushaltsbetrachtungen:
Auch das Jahr 2023 wird wieder zu einer großen Belastung für den
Landkreis sowie für die Kommunen. Die finanzielle Lage ist prekär,
uns fehlt leider immer noch eine Perspektive. Auch in 2023 werden
wir mit vielen Finanzrisiken leben müssen.
 

Einige Haushaltsschwerpunkte für 2023: Nur
Kernhaushalt

a. Sozialbereich (größter Ausgabenfaktor, Tendenz steigend,
kaum beeinflussbar), Zuschussbedarf: 151,4 Millionen €
b. Personalkosten (steigend.): 97,5 Millionen €
c. Gesamtinvestitionen: 20,7 Millionen €
davon Bruttoinvestition für den Bereich Schulen : 9,8 Mio. €
d. Investition Kreisstraßen: 4,3 Mio €
e. Schuldenstand 31.12.2022 70,8 Mio €
f. Liquidität des Landkreises Ende 2022: 6,7 Mio €
g. Bruttokreditaufnahme für 2023: 4,0 Mio €
h. Offene Ansprüche im Rahmen
der Spitzabrechnung : ca. 13,5 Mio €
i. Schuldenstand Ende 2023: 77,1 Mio €

Die Kreisumlage (32,98%) bringt dem Landkreis 2023
Einnahmen von 135.6 Mio€

Der angedachte Betrag der Kreisumlage deckt nicht den
Zuschussbedarf für den Bereich Soziales/Jugend und Gymnasien.
Wir haben eine Unterdeckung von -19,3 Mio €
Ich wiederhole: Grundsätzlich vertritt die FDP-Fraktion die
Auffassung, dass das System der Kreisumlage durch ein anderes
Finanzmodell abgelöst werden muss. Es geht hier um den Erhalt
der demokratischen Selbstverwaltung, um den Gestaltungsrahmen,
letztendlich um die Zukunftsfähigkeit der Landkreise. Wenn die
Kreisumlage nicht zur Finanzierung des Haushaltes ausreicht,
stimmt das System nicht mehr! Mit dieser Meinung befinden wir
uns in guter Gesellschaft. Es wird höchste Zeit, dass hier ein neues
Finanzierungssystem kommt.

 

Liquidität/Verschuldung:
Trotz der neuen Finanzprobleme halten wir an Investitionen fest.
Warum?
Es geht schlicht und einfach um Zukunftsinvestitionen, damit die
Zukunftsfähigkeit und die Attraktivität unseres Landkreises erhalten
bleibt.
Ein Wegfall dieser sinnvollen Investitionen wäre katastrophal und
eine unvermeidliche Schwächung des ländlichen Raumes. Unsere
Investitionen sind und waren keine Luxusinvestitionen! Der
Landkreis muss gerade jetzt eine stabilisierende Rolle im
Wirtschaftsgeschehen spielen und als Konjunkturmotor auftreten.
Ich gehe davon aus, dass sich unsere kritische Haushaltslage ab
2025/2026 entspannen wird. (falls die Prognosen der
Wirtschaftsexperten stimmen sollten.) Die Risiken für den
Haushalt 2023 sind die steigenden Aufwendungen im
Sozialbereich.

 

Ein paar Anmerkungen zum Thema „Flüchtlinge“:
Die Unterbringung der Flüchtlinge bringen die Kommunen an die
Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die kommunale Familie steht mit dem
Rücken an der Wand, wir drohen in eine Überforderungssituation
abzugleiten. Die Kommunen können sich nicht auf
Kapazitätsgrenzen berufen, weil sie das letzte Glied in der
Unterbringungskette sind. Wo bleibt der Aufschrei der
Kommunen? Mit Brandbriefen ist da wenig geholfen.
In der aktuellen Situation bleibt wohl vielerorts nur die Option von
Massenunterkünften in Hallen und in anderen Einrichtungen. Dies
führt zu Diskussionen in der Bevölkerung, in Vereinen und
Schulen, und führt zu politischen Verwerfungen. Erinnert sei hier
auch auf die Auswirkungen auf die Schulen und
Kindertagesstätten. Eins ist klar: die Anzahl der Flüchtlinge wird
zunehmen. In Europa muss unbedingt ein gerechter
Verteilungsschlüssel gefunden werden. Entscheidend ist, dass die
Verhältnisse vor Ort verbessert werden.

 

Sozialbereich:
Der Bereich Soziales ist und bleibt unser größter Ausgabenblock.
Die vorgegebenen Standards müssen immer wieder neu geprüft
werden, gerade und besonders die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes.
Die FDP weiß natürlich, dass ein Großteil der
Ausgaben gesetzlich definiert ist. Grundsätzlich sollte dennoch das
Ausschöpfen von Spielräumen angestrebt werden. Überbordende
Ausgaben und eine kaum noch beherrschbare Bürokratie für
unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Anzeichen für eine
drohende Überforderung im Sozialsystem. Gerade weil wir die
Grenzen des Machbaren erleben, muss die Eigenverantwortung
jedes Einzelnen wieder deutlicher in den Vordergrund rücken und
nicht zuerst die Leistungserwartung an den Staat ohne den
Gedanken der Solidarität aufzugeben.
 

Gesundheitswesen:
Zentrale Herausforderungen sind eine Notfallversorgung rund um
die Uhr und der Aufbau und Ausbau medizinischer
Versorgungszentren und ein ausreichendes Fachärzteangebot.
Problematisch ist jetzt schon der Ärztemangel im ländlichen Raum.
Der ländliche Raum muss gezielter und aggressiver um Ärzte
kämpfen. Der ländliche Raum hat nämlich auch seine Vorzüge, die
besser bekannt gemacht werden müssen. Zukünftig werden sich
Kommunen bei der Suche nach Hausärzten zusammenschließen
müssen. Verstärkte Förderprogramme und Stipendien für
zukünftige Landmediziner sind notwendig.
Für unsere Kliniken im Landkreis erhofft sich die FDP mehr
Spielräume für Kooperationen, auch über Landesgrenzen hinweg.

 

Breitbandoffensive des Landkreises:
Der nicht akzeptable Förderstopp des Bundes zum Internetausbau ist
sehr nachteilig für den ländlichen Raum. Niemand kann momentan
sagen wie es weitergeht. Dass Fördertöpfe leerlaufen, kommt immer
wieder mal vor. Aber die Verantwortlichen auf Bundesebene hätten
wissen müssen, was auf sie zu kommt.
Unser Zweckverband wurde ja deshalb gegründet, um dort das Internet
auszubauen, wo Private nicht hinwollen. Wir brauchen eine dauerhafte
Förderung, unabhängig von den Haushaltsjahren des Bundes und des
Landes. In 2023 sollen neue Förderrichtlinien gelten, es gilt das Prinzip
Hoffnung.

Post-Fessenheim:
Zwar ist der ursprünglich angedachte binationale Gewerbepark
gescheitert, aber nicht aus politischen Gründen. Es sind noch sehr viele
gemeinsame Interessen vorhanden, vieles ist noch denkbar! Die FDP
sieht die deutsch-französische Zusammenarbeit als nicht gefährdet an.
Nach wie vor haben wir gute Chancen, europäische Modellregion zu
werden. Durch die Reaktivierung der Bahnlinie Colmar-Freiburg wird
eine große Dynamik eintreten. Das angebrachte Technocentre zum
Recyclen von radioaktivem Schrott lehnen wir kategorisch ab. Dieses
Thema muss politisch ausgefochten werden, rechtlich haben wir keine
Handhabe.

 

ÖPNV/Straßen:
Durch das 49 Euro Ticket und das landesweite Jugendticket wird das
Angebot für die Nutzer einfacher und für die Anbieter
unbürokratischer. Doch der Erfolg des ÖPNV hängt von folgenden
Faktoren ab:
a) Verlässlichkeit
b) Bedarfsgerechte Taktung
c) Ausreichende Kapazität
Leider klappt es immer noch nicht mit der Zuverlässigkeit der
Breisgau-S-Bahn. Zugausfälle und Unpünktlichkeit sind nach wie vor
auf der Tagesordnung. Es kann nicht sein, dass wir vor Ort Millionen
für ÖPVN ausgeben und auf der Landesebene die Hausaufgaben
nicht gemacht werden.
Die FDP setzt große Hoffnungen in das ergänzende
Nahverkehrskonzept, da durch das Verkehrsangebot für bisher
benachteiligte Gemeinden deutlich verbessert wird.
Die Fortsetzung des Kreisstraßensanierungsprogrammes ist ein
großes Anliegen der FDP-Kreistagsfraktion. Nach wie vor fordern wir
einen Topographiebonus. Das Planungsrecht für den
Falkensteigtunnel muss so schnell wie möglich vorgezogen werden.
Leider ist durch eine Klage des VCD nicht sicher, ob im März 2023 mit
dem Bau der zweiten Brücke über die Gauchach zwischen Unadingen
und Döggingen begonnen werden kann. Die Region wartet schon seit
Jahren auf diese Baumaßnahme. Die Begründung des VCD ist
ideologisch,realitätsfremd und ignoriert die Bedeutung der B31. Die
Klage richtet sich gegen die Interessen dieser Region, denn die
zweite Brücke ist ein zentraler Baustein für die künftige Entlastung der
Ortsduchfahrten durch Döggingen, Unadingen, Bachheim,
Seppenhofen, Löffingen und Rötenbach.
Die FDP hofft, dass diese Klage abgewiesen wird!
Mit großer Sympathie verfolgen wir die Pläne, eine Brücke über die
Wutachschlucht zwischen den Gemarkungen Löffingen und Bonndorf
zu bauen.

 

Neues Verwaltungsgebäude:
Es ist kein Geheimnis, dass die FDP zum Standort des neuen
Landratsamtes andere Vorstellungen hatte als die Verwaltung und die
große Mehrheit des Kreistages. Die FDP hofft nur, falls es zu einer
Einigung mit der Stadt Freiburg kommt, dass die Eigenständigkeit des
Landkreises bestehen bleibt. Spannend wird es jedoch dann, wenn es
zu keiner Einigung mit der Stadt Freiburg kommt. Unabhängig davon
fordern wir nach wie vor die Stärkung unserer Außenstellen.

 

Ausblick:
Ich bedanke mich im Namen der FDP-Fraktion für die gute
Zusammenarbeit bei der Verwaltung und hoffe, dass unsere Ziele-trotz
der bekannten Probleme- erreicht werden. Durch unsere gemeinsamen
Bemühungen sind wir bisher in der Lage gewesen, große
Herausforderungen zu meistern.
Zusammen haben wir die Weichen für die Zukunft gestellt. Dabei sind wir
auch unangenehmen Wahrheiten nicht aus dem Weg gegangen. Ich
danke allen Mitgliedern des Kreistages für das gute Miteinander und
gehe davon aus, dass wir gemeinsam 2023 diesen Landkreis und seine
Menschen wieder ein Stück nach vorne bringen.

Freiburg / Löffingen 19.12.2022
Rudolf Gwinner,
Fraktionsvorsitzender der FDP-Kreistagsfraktion im Landkreis Breisgau-
Hochschwarzwald.